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Tanz', als würde dir niemand zuschauen...und wie ich meine Sportangst besiegte

Ich kann mich noch genau an die Momente aus meiner Kindheit erinnern, in denen ich die Augen geschlossen und einfach gefühlt und genossen habe. Diese kleinen Momente, in denen die Musik anging und mein Körper sich quasi verselbstständigt hat. In meinem Kopf habe ich mir immer vorgestellt, irgendwann eine Profi-Contemporary Tänzerin zu sein. Da waren die Bewegungen, diese Leichtigkeit, von denen ich immer geträumt habe. In meiner Heimat früher gabs solche Kurse leider nicht oder sie waren zu teuer. Vielleicht wollte ich aber auch einfach zu viel gleichzeitig machen...


Daher habe ich mich von dem kleinen Traum nach und nach verabschiedet. Ich habe gedacht, vielleicht kann ich das ja irgendwann mal machen, wenn ich woanders lebe. Ich habe getanzt, ja. Aber nie die Art von Tanz, die ich gefühlt habe. Es war, als müsste ich die Choreo wie einen Vokabeltest in meinen Kopf prügeln.

Das lag nicht am Kurs, versteht mich nicht falsch. Es lag jedoch daran, dass ich nichts gespürt habe. Die Gefühle waren nicht da.


Irgendwann haben sich darunter die Selbstzweifel gemischt. Irgendwann hat mich die Angst so sehr eingenommen, dass ich eine Abneigung vor jeglichen sportlichen Aktivitäten entwickelt habe. Ursprünglich hat sich diese aus meiner Emetophobie heraus entwickelt, der Angst sich zu übergeben. Dann kamen aber noch andere Ängste dazu: Dass ich es nicht schaffe. Ich wollte nicht, dass mir andere zusehen. Beim Versagen zusehen.


Ich habe gedacht, wenn ich mir schon die Schritte im Tanzen nicht merken kann, was ich jahrelang seit ich klein bin mache, dann brauche ich auch keine neue Sportart auszuprobieren. Und trotzdem habe ich mich Anfang 2023 in einem Fitnessstudio angemeldet, weil ich wusste, dass ich irgendwas für meinen Körper tun muss. Und weil ich Angst davor hatte, irgendwas in einer Gruppe anzufangen, dachte ich, dass es mir vielleicht hilft, es alleine durchzuziehen. Ich meine, zu der Zeit hat gefühlt jeder aus meinem Umfeld oder online mehrfach die Woche trainiert und ich kam mir daneben echt zeimlich beschissen vor. Und wenn die das alle schaffen, zwei bis dreimal die Woche ins Studio zu gehen, dann bekomme ich das auch hin. Dachte ich. Natürlich habe ich direkt einen 2-Jahres-Vertrag abgeschlossen, weil das günstiger war. Und weil ich Ziele hatte.


Ja, was soll ich sagen...Ich kann an zwei Händen abzählen, wie oft ich dort gewesen bin. Und wieso? Es war nicht die Motivitation, die mir gefehlt hab, Ok, vielleicht ein bisschen.

Aber es gab eine grundlegende Sache, die mir gefehlt hat: Die Leidenschaft.

Wo sind die Gefühle, wo sind die Emotionen, wo die Musik und wo das Körpergefühl? Es ging gefühlt nur darum, Muskeln aufzubauen. Und das war doch nur zweitrangig das, was ich wollte. Eigentlich wollte ich eine neue Leidenschaft für mich entdecken. Und ich hatte das Ziel, nach dem Sport wieder so ausgepowert zu sein, dass ich Hunger bekomme, um mehr zu essen. Naja, ich glaube, das hat eher weniger funktioniert, sodass ich ziemlich schnell die Lust verloren habe.


Dann habe ich erstmal eine lange Zeit gar nichts gemacht. Ok, ab und zu war ich mit einer Freundin schwimmen. Ich war schon immer eine Wasserratte und ich mag das Gefühl, mit dem Wasser eins zu sein. Aber auch das wurde immer unregelmäßiger, weil ich irgendwann meine Schwimmkarte verloren hab und ich dann dachte, dass es bescheuert wäre, sich jetzt eine neue 50er Karte zu kaufen, weil mal im Ernst: Immer, wenn man das tut, taucht die Karte wieder auf.

Spoiler-Alert: Sie ist bis heute nicht aufgetaucht...


Im Herbst 2024 habe ich dann angefangen, nach neuen sportlichen Hobbies Ausschau zu halten. Ich erinnerte mich an die unbeschwerten Momente als Kind und natürlich war mein erster Gedanke, dass ich es jetzt gar nicht mehr versuchen brauche. Sätze wie

Sowas musst du in deiner Kindheit anfangen, als Erwachsener hast du kaum mehr eine Chance, das zu lernen

drangen zu mir durch. Und doch kämpfte ich dagegen an und buchte mir einen Contemporary Workshop im Theater.

Das war mein erster Schritt. Ich habe Gefallen daran gefunden, obwohl die Angst dennoch da war. Trotzdem begann ich mich auf die Suche nach Tanzschulen zu machen. Ich merkte schnell, dass das ein teurer Spaß ist und ich erinnerte mich an das Fitnessstudio-Abo. Ich wollte nicht nochmal so einen Fehler machen. Tatsächlich fand ich aber eine Tanzschule, in der man ein kostenloses Probetraining machen und monatlich kündigen konnte. Ich dachte, ich kann es ja mal ausprobieren. Ich gehe arbeiten und verdiene mein Geld und ich darf mir das jetzt leisten.


Schnell stellte ich fest, dass der Contemporary-Kurs leider zu einer Zeit stattfindet, zu der ich meine wöchentliche Therapie habe. Aber ich ging die anderen Tanzstile durch, recherchierte und schaute mir Videos an. Ich stieß auf Jazzdance, eine Tanzart, von der ich zuvor noch nie gehört hatte. Ich stellt fest, dass sie sich von Contemporary gar nicht so viel zu unterscheiden scheint. Ein Versuch war es wert.

Also ging ich hin. Die erste Choreo war aus dem Film Burlesque und enthielt mehr Jazzelemente. Sie erinnerte mich ein bisschen an die Rockn`Roll Choreo aus meiner Showtanzgruppe von früher. Einer der wenigen Tänze, die mir so richtig gut gefallen und gelegen haben. Ich war sehr begeistert. Am meisten faszinierte mich die Leidenschaft in dem Raum. Zum ersten Mal hatte ich in einem so vollen Raum, gefüllt mit anderen tanzenden Menschen, die die Choreo schon zwei Wochen vor mir begonnen haben, nicht den Zwang, Leistung erbringen zu müssen.

Zum ersten Mal hatte ich keine Angst davor, in der ersten Reihe zu tanzen. Zum ersten Mal habe ich mich wieder so richtig wohl in meinem eigenen Körper gefühlt: Selbstbewusst und stark.

Es schien sich in meinen Gedanken mal nicht alles um mein Gewicht, den Performancedruck und mein Äußeres zu drehen.

Ja, es waren gute Tänzer dabei, auch sehr gute. Aber ich habe keinen Druck gespürt. Unsere Tanzlehrerin sprühte vor Energie und hat uns jedes Mal aufs Neue ermutigt, an uns zu glauben. Und das tat ich. Von Woche zu Woche mehr.


Und dann gab es nach den Weihnachtsferien eine neue Choreo: Eine Contemporarychoreo. Ich bin vollends aufgegangen. Ich war einfach da und glücklich und das erste Mal seit so einer langen Zeit hatte ich das Gefühl aus meiner Kindheit zurück.


Das Gefühl, die Musik zu hören und meinen Körper nach meinem Empfinden danach zu bewegen. Meine Tanzlehrerin sagte uns jede Woche die gleichen Worte:

Es geht nicht darum, die Schritte perfekt auszuführen, sondern sie zu fühlen!

Und das tat ich. Und wie ich das tat. Anfangs versuchte ich noch krampfhaft alles genauso zu machen wie alle anderen. Als ich dann nach und nach merkte, dass es nicht das war, worum es ging, entwickelte ich meine eigene Technik. Ich tanzte zwar die vorgegebene Choreo, aber für mich bedeutete dieses Lied so viel mehr: Drama, Gefühl, Verarbeitung, meine Geschichte.

Und genau das steckte ich in meinen Tanz rein. Vielleicht sah es dadurch ein bisschen anders aus, aber das ist mir währenddessen gar nicht so aufgefallen. Schließlich habe ich gefühlt und nicht darüber nachgedacht.


Irgendwann kam jemand aus der Gruppe mit weitaus mehr Tanzerfahrung als ich sie hatte zu mir. Er war mir mit seinem Tanzstil sofort aufgefallen. Er meinte, ich wäre heute richtig gut gewesen. Das hat mir in dem Moment so unglaublich gut getan zu hören. Denn plötzlich fing sogar mein Kopf an zu glauben, dass ich das vielleicht sogar gar nicht so schlecht mache. Ja und jetzt, wo die Choreo fertig ist und ich das Video von mir gesehen habe, glaube ich noch ein bisschen mehr daran.

Es ist weit davon entfernt, perfekt zu sein, aber das war auch nicht mein Ziel. Mein Ziel war es, wieder eine Sportart für mich zu entdecken und vielleicht dem kleinen Traum aus meiner Kindheit eine Chance zu geben. Und das habe ich geschafft.

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Hi, danke fürs Vorbeischauen!

Mein Name ist Saskia Schleyer. Ich bin tollpatschig, meistens organisiert und schreibe für mein Leben gern. Aktuell studiere ich Journalismus, was mir sehr viel Spaß bereitet. Nebenbei arbeite ich beim Südwestrundfunk. Wenn ich nicht gerade am schreiben bin, singe ich oder gehe mit meinen Freunden feiern.

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